Gedanken zum Schulanfang
Nach 4 Wochen Schule (hier in Bayern) möchte ich mal ein bisschen Tagebuch schreiben und so Revue passieren lassen, wie der erste Monat hier so war. Ok der Schulanfang ist für viele andere sogar schon länger her und manche haben sogar schon Herbstferien gehabt. Es ist für mich kein normales Schuljahr – alleine die Tatsache, dass meine Tochter eine Highschool in Texas / USA besucht und nicht hier bei uns ist.
Große Veränderung für uns alle. Es klingt zwar komisch, aber es ist eine ganz andere Dynamik – ich kann es gar nicht so richtig greifen, denn die “Arbeit” ist nicht wesentlich weniger geworden. Ob für 4 statt 5 zu kochen (waschen etc) – merke ich fast nicht. Aber die Energie im Haus ist definitiv anders. Ich vermisse sie natürlich und doch weiß ich, dass sie dort viele neue Erfahrungen macht und auch glücklich ist. Das hilft mir.
Der große Sohn hatte die ersten 4 Wochen nur Theater – alle Waldorf Eltern die mitlesen wissen Bescheid: 12-Klass Stück. Sie haben 3,5 Wochen intensiv geprobt, Kulissen gebaut, Texte gelernt, Actors Training gehabt, Kostüme rausgesucht und vieles mehr. Für mich von außen betrachtet immens was die Klasse geleistet hat, was für eine beeindruckende Aufführung und ich war an allen 3 Abenden da und jedesmal mehr als beeindruckt von ihrer Leistung, ihren Ausdruck, ihrer Gemeinschaft, ihren Willen und trotz Erschöpfung so ein tolles Stück auf die Bühne zu bringen. Respekt.
So ein Projekt hätte ich mir auch in meiner Schulzeit gewünscht. Die 12. Klasse schliesst den Kreis in der Schule und neben dem Stück, kommt noch der Eurythmie Abschluss und das Steinmetzpraktikum. Danach konzentrieren sich die Schüler auf den staatlichen Abschluss. Spannendes Jahr. Bewegendes Jahr.
Der kleine Sohn ist jetzt in der letzten Klassenlehrerklasse (bei uns die 8.) und wird dieses Jahr auch ein Theater Stück aufführen. 8 Jahre Klassenlehrerzeit gehen zu Ende und es ist ein komisches Gefühl auch für mich, dass auch mein jüngstes Kind nächstes Jahr dann schon in die Oberstufe wechselt. Wo sind die Jahre nur hin?
was hat sich verändert?
Es ist ein komischer Schulanfang – mitten in der Pandemie oder am Ende dieser? Mit Präsenzunterricht und endlich wieder sozialen Kontakten. Die letzten 1,5 Jahre haben uns herausgefordert. Ein bisschen “Normalität” ist zurück gekehrt und somit auch die Hoffnung, dass wir alle vielleicht wieder näher rücken. Ich merke einen Unterschied zu vor der Pandemie. Eltern die sich misstrauisch beäugen – zu übervorsichtig, zu lasch, zu Spinner zu Spießer ich weiss nicht, ob das am Ende was Gutes hat? Vielleicht verabschiedet man sich von Menschen, von Bekannten und Freunden, vielleicht kommen neue dazu. Aber es ist definitiv nicht mehr wie früher.
Menschen wurden “neu” bewertet. Ich hab das für mich immer noch nicht richtig bewerten können. Unterschiedliche Ängste treffen aufeinander und viel Wut und teilweise auch Respektlosigkeit liegt immer mal wieder in der Luft. Was hat sich da alles aufgestaut – puh?
Ach übrigens, mein Chaos (Küche, Wäsche usw.) was immer am Schulanfang eintritt, ist so langsam im Griff und ist wie jedes Jahr die ersten Wochen nach Schulanfang ist hier immer so ein bisschen Land unter. Nach 6 Wochen Ferien und in dieser Zeit keine hektischen Einkäufe, vergessene Brotzeitdosen, Sporttermine usw. muss ich mich erstmal wieder eingrooven. Bitte sagt mir, dass es nicht nur mir so geht…?
Wie schaffen wir es als Gemeinschaft wieder zusammen zu wachsen?
Manchmal habe ich so einen Gedanken. Wir sollten alle doch mal wieder die Schulbank drücken. Uns wieder Rückbesinnen auf was uns als Mensch ausmachen soll. Was für ein Mensch will ich sein? Wie stehe ich für meine Werte ein ohne andere zu verletzen? Oder, wie kann ich Verständnis und Mitgefühl aufbringen, auch wenn ich mal nicht der Meinung der anderen bin? Und vor allem, wie behandeln wir uns gegenseitig? Noch nie in meinem Leben habe ich so viel Respektlosigkeit beobachtet wie in den letzten Monaten. Angefangen von den Rasern ( ich frage mich wo wollen sie so schnell hin, dass sie in den 30er Zonen einen halben Infarkt bekommen, wenn jemand “nur” 32 fährt).
Da könnte ich jeden Tag an der Menschheit zweifeln. Oder wie manche Kassierer behandelt werden. Und dann das Personal, dass sich an die Vorschriften hält und die Regeln einfordert, die Ihnen auferlegt wurden, beschimpft und beleidigt. Was ist das hier alles?
Ich bin traurig darüber und ich vermisse die Zeit, in dem man mehr miteinander als gegeneinander unterwegs war. Auch vermisse ich meine Freude – die ich viel zu selten gesehen habe die letzten 1,5 Jahre und ich vermisse die Leichtigkeit des Seins.
Aber es gibt auch Gutes zu berichten …
Ich weiß gar nicht, warum ich den Blogpost Gedanken zum Schulanfang genannt habe. Vielleicht weil mich das schon seit dem Schulanfang beschäftigt. Mehr als üblicherweise. Ich erlebe, wie mein Kind voller Liebe in einer bis vor kurzen fremden Familie aufgenommen wurde. Wie offen und warmherzig Menschen sind, auch wenn sie uns kaum kannten. Ich glaube an Völkerverständigung und solche positiven Erfahrungen einen das ganze Leben prägen werden. Wir haben nur einen Planeten – no planet b – so merke ich, dass es der Jugend nicht egal ist, was passiert.
Sie werden sich hoffentlich noch mehr über die Grenzen hinaus vernetzten, verständigen und an der Zukunft gemeinsam arbeiten. Es ist die größte Herausforderung seit langer Zeit. Wir haben gelebt als ob wir noch einen 2. oder 3. Planeten hätten. Das Umdenken hat so langsam begonnen und ich sehe immer öfter werden kleine Schritte gemacht. Auch wir hier zu Hause. Ich bin noch lange nicht so weit wie zum Beispiel meine Kinder. Aber ich bin mehr als gerne bereit zu lernen… und bin gespannt was dieses Jahr alles so mit sich bring.
Herzliche Grüße von Emma